Die JAEG und die PKV - was sich 2024 für Kunden ändert.

Im Interview mit Martin Reiser.

Lesezeit: 4 Minuten

Auch in diesem Jahr erwarten wir im Versicherungsumfeld wieder zahlreiche Veränderungen. Zum Beispiel mit dem Anstieg der Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAEG) in der privaten Krankenvollversicherung. Was das für Eure Kunden, aber auch für Euch als Makler bedeutet, auf welche Besonderheiten Ihr im Beratungsgespräch achten solltet und was die Zukunft für die PKV bereithält, klären wir im Interview mit unserem Account Manager Martin Reiser.

Martin Reiser

„Herr Reiser, als Account Manager der Versicherungskammer und erfahrener PKV-Experte: Was ist überhaupt die Jahresarbeitsentgeltgrenze – und wie wirkt sie sich auf die Wahl zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung aus?“

Martin Reiser: Die JAEG legt die Einkommenshöhe fest, ab der eine private Krankenversicherung für Arbeitnehmer möglich ist. Für 2024 wurde die JAEG auf 69.300 Euro p. a. erhöht. Ab dieser Grenze können Arbeitnehmer von der GKV in die PKV wechseln.
Wichtig: PKV-versicherte Arbeitnehmer, deren Gehalt von der JAEG eingeholt wird, werden wieder in der GKV pflichtig. Von dieser Pflicht können sie sich aber befreien lassen.
Für Arbeitnehmer, die seit dem 31.12.2002 in der PKV versichert sind, gilt die besondere Versicherungspflichtgrenze von 62.100 Euro. Diese ist gleichzeitig die Beitragsbemessungsgrenze (BBG). Daraus werden der maximale Arbeitgeberzuschuss, der Höchstbeitrag im Standard- und Basistarif sowie die Höchstbeiträge zur Pflegeversicherung abgeleitet.

„Worauf müssen insbesondere Versicherungsmakler jetzt achten? Gab es zuletzt Änderungen bei der JAEG oder den Regelungen zur Krankenvollversicherung, die Versicherungsmakler und ihre Kunden unbedingt kennen sollten?“

2003 lag der Höchstbetrag für den AG-Zuschuss in der GKV bei 472,50 Euro - 2024 ist er bereits 1.050,53 Euro für Versicherte ohne Kinder.
Martin Reiser: In letzter Zeit gab es, abgesehen von den jährlichen Erhöhungen, keine spezifischen Änderungen.

Bis 2003 glich die JAEG der BBG. 2003 wurde die JAEG dann deutlich erhöht, um die Wechselmöglichkeiten in die PKV einzuschränken. Seitdem steigt der Grenzwert jährlich an und ein Wechsel in die PKV wird dadurch für viele Arbeitnehmer erschwert. Die Beitragsentwicklung der GKV darf man dabei jedoch auch nicht aus dem Blick verlieren: Betrug im Jahr 2003 der monatliche Höchstbeitrag inkl. AG-Zuschuss in der GKV noch 472,50 Euro, sind wir im Jahr 2024 für Versicherte ohne Kinder inklusive Pflegepflichtversicherung bereits bei 1050,53 Euro.

„Kann der Kunde jederzeit einen Wechsel in die PKV veranlassen?“

Martin Reiser: Die Versicherungspflicht endet bei einem bestehenden Arbeitsverhältnis zum Ablauf des Kalenderjahres, in dem die JAEG und auch die des Folgejahres, überschritten wird.
Ob das der Fall ist, prüft zunächst der Arbeitgeber. Dieser meldet danach auch der Krankenkasse, dass der Verdienst über der JAEG liegt. Die Krankenkasse teilt dem Kunden dann mit, dass die Versicherungspflicht endet und er – wenn er nicht innerhalb von 14 Tagen widerspricht – ab dem 01.01. des laufenden Jahres freiwillig versichertes Mitglied in der GKV wird.
Möchte der Kunde in die PKV wechseln, muss er spätestens 14 Tage nach der Mitteilung der GKV erklären, dass kein Interesse an einer freiwilligen Versicherung besteht. Anschließend beantragt er die Versicherung in der PKV und schickt der gesetzlichen Krankenversicherung die Folgeversicherungsbescheinigung zu.

„Gibt es beim Wechsel Besonderheiten zu beachten?“

Beratung mit iPad
Martin Reiser: Versäumt der Kunde die Frist, kann er nur regulär kündigen. Und zwar im laufenden Monat zum Ende des übernächsten Monats. Zu beachten ist auch: Gelegentlich gibt es unterschiedliche Auffassungen, was zum regelmäßigen Arbeitsentgelt zählt. Solche Fälle und andere Szenarien sind jedoch nach SGB IV § 14 geregelt.

Auch die betriebliche Altersvorsorge sollte im Zusammenhang mit der JAEG berücksichtigt werden. Denn die bAV verringert im Sinne der Sozialversicherung das Arbeitsentgelt. Es könnte also passieren, dass ein Arbeitnehmer knapp über der JAEG verdient – durch die Entgeltumwandlung für die bAV jedoch GKV-pflichtig wird.

„Damit kommen wir zu einer Frage, die von Kundenseite immer wieder gestellt wird: Wie unterscheiden sich denn eigentlich die Leistungen und Kosten der gesetzlichen und privaten Krankenvollversicherung? Welche sind die relevanten Argumente für letztere?“

Martin Reiser: Das ist in Kürze nur sehr allgemein zu beantworten. Einerseits bestehen große systemische Unterschiede. Andererseits gibt es differenzierte Abweichungen in den Erstattungen für Gesundheitsbehandlungen. Deshalb nur ein grober Vergleich:
In der GKV richtet sich der Beitrag nach dem Einkommen, die Leistungen sind für alle Versicherten weitestgehend gleich und gesetzlich festgelegt. Der Versicherte erhält in der Regel Sachleistungen. Außerdem gilt in der GKV das „Wirtschaftlichkeitsgebot“ nach § 12 SGB V: Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.
Die GKV wird, neben den Beiträgen der Versicherten, auch von sehr hohen Steuerzuschüssen finanziert (Anmerkung der Redaktion: 2022: 28,5 Milliarden Euro, 2023: 16,5 Milliarden Euro).

„Also hohe Steuerzuschüsse gleich hohe Leistungen?“

Martin Reiser: Nicht unbedingt. Bei den Leistungserbringern herrscht große Unzufriedenheit bezüglich der Vergütung, die vielfach nicht auskömmlich ist, zum Beispiel bei Medikamentenversorgung oder Krankenhausreform. Auch gibt es viele subtile, „versteckte“ Einschränkungen: Beispielsweise sind bestimmte Behandlungsmethoden im Katalog der gesetzlichen Krankenkassen enthalten – die Entlohnung ist für die Leistungserbringer aber so gestaltet, dass diese Behandlungen für gesetzlich Versicherte nicht (mehr) angeboten werden.
In der PKV ist die Beitragshöhe vom Umfang der versicherten Leistung und vom Eintrittsalter abhängig. Privatversicherte können sich Leistungen individuell nach ihrem Bedarf zusammenstellen und erhalten dabei, je nach Tarif, umfassendere Gesundheitsbehandlungen als in der GKV. In der PKV gilt zudem das Kostenerstattungsprinzip. Steuerzuschüsse gibt es in der PKV nicht.
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Besonders interessant: Nur ca. 10 % der Versicherten sind in der PKV, tragen aber zu mehr als 20 % der Einnahmen der niedergelassenen Ärzte bei. Das erklärt dann eventuell auch die unterschiedlichen Prioritäten bei Terminvergaben und Behandlungsansätzen.
 

„Angenommen, die Einkünfte des Kunden lagen im letzten Jahr über der JAEG: Wie kann der Makler seinen Kunden jetzt ansprechen und was ist in der Beratung zu beachten?“

Interview Beratung
Martin Reiser: Die Ansprache erfordert Sensibilität und Fachkenntnis. Die Beratung sollte sehr individuell auf den Mandanten abgestimmt sein, seine Familiensituation berücksichtigen und verdeutlichen, dass die Wahl einer Krankenversicherung auch die Lebensqualität beeinflusst – gerade bei und nach schweren Erkrankungen.

Eine private Krankenversicherung ist für den Kunden eine der größten und langfristigsten Investitionen und vergleichbar mit dem Kauf eines Hauses.

„Wo liegen typische Stolperfallen und Herausforderungen in Bezug auf das Beratungsgespräch?“

Martin Reiser: Was vielfach versäumt wird, ist das Eingehen auf „Sozialromantik“ (solidarische Finanzierung) und Ängste, etwa die Finanzierbarkeit im Alter. Ein Stichwort sind an dieser Stelle die Beitragsentlastungstarife als elementarer Bestandteil der Beratung. Mit diesen wird bis zur Rente ein wenig mehr in die PKV eingezahlt; später reduziert sich dann der monatliche Beitrag. Ein Beitragsentlastungstarif muss in der PKV als gesonderter Baustein ausgewählt werden. Auch die Höhe der Beitragsentlastung wird in diesem Rahmen bestimmt.
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Eine typische Stolperfalle ist auch, die Entscheidung nur von der potenziellen Beitragshöhe abhängig zu machen. Sowohl die GKV- als auch die PKV-Beiträge sind bis zum Lebensende nicht statisch, sondern laufender Veränderung ausgesetzt: bedingt durch medizinischen Fortschritt, Bevölkerungswachstum, gesundheitspolitische Gesetzesänderungen usw. Die Wahl sollte also immer möglichst leistungsorientiert sein.
 
Ein grober Fehler ist außerdem die mangelnde Abklärung des Gesundheitszustands des Kunden. Das kann im Versicherungsverlauf zu sehr unschönen Situationen führen.

„Lassen Sie uns doch zum Abschluss des Gesprächs einen Blick nach vorn wagen: Wie sehen Sie die Zukunft der Krankenvollversicherung in Deutschland, besonders im Hinblick auf die Jahresarbeitsentgeltgrenze? Gibt es Trends oder bevorstehende Gesetzesänderungen, die Versicherungsmakler im Auge behalten sollten?“

Martin Reiser: Die Zukunft der Krankenvollversicherung ist von vielen Faktoren geprägt. Im Hinblick auf die JAEG sind, meines Wissens, derzeit keine bevorstehenden Gesetzesänderungen geplant. Es ist aber davon auszugehen, dass die JAEG in Zukunft weiter steigt. Vor allem mit Hinblick auf die Lohnanhebungen der letzten Jahre ist für 2025 tatsächlich mit größeren Erhöhungen zu rechnen. Somit wird der Wechsel in eine PKV immer schwieriger.
Als Versicherungsmakler sollte man daher demografische und gesundheitspolitische Entwicklungen, medizinische Errungenschaften und den allgemeinen Zugang zu medizinischer Versorgung der Versicherten im Auge behalten. Denn wie bereits erwähnt: Nicht nur die JAEG steigt an – auch die Beitragssätze zur GKV erhöhen sich zusehends. Und das bei gleichbleibenden, teilweise nicht ausreichenden oder sogar kontinuierlich geringeren Leistungen.
Die individuellen Bedürfnisse und Wünsche des Kunden stehen aus diesem Grund bei der Beratung im Mittelpunkt. Das Versicherungskammer Maklermanagement hat dafür alle wichtigen Infos zur PKV parat. Und falls Maklerinnen und Makler Fragen oder Anliegen haben, erreicht man mich oder das Team des Maklermanagements natürlich jederzeit unter den ausgewiesenen Kontaktmöglichkeiten.

„Herr Reiser, wir danken Ihnen für das Gespräch!“

Veröffentlicht am 17. Januar 2024

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